Für den Bereich der psychosozialen Onlineberatungssoftware mit ihren speziellen Anforderungen (siehe technische Anforderungen) an Klient*innen-Versorgung und Datenschutz, gibt es nur wenige, hoch spezialisierte Anbietende auf dem Markt. Zumeist bieten diese optional verschiedene Kommunikationswege an, beispielsweise Mail, Messenger, Chat, Forum oder zunehmend auch Video.
Zur Anschaffung einer speziellen Onlineberatungssoftware gibt es unterschiedliche Kostenmodelle. Neben dem Anmieten von Einzel- oder Gruppenlizenzen (siehe Mietmodelle), kann dies der Erwerb einer Softwarelösung sein, wie auch eine Eigenentwicklung mit internem oder auch ausgelagertem Betrieb. Ebenfalls möglich ist die Nutzung frei verfügbarer Open-Source-Lösungen (siehe Open-Source-Modelle). Während die Mietmodelle sich gut für den einfachen Gebrauch innerhalb der angebotenen Struktur eignen, ist der Kauf wie auch die Nutzung von Open-Source-Software häufig mit individueller Anpassung durch IT-Fachkräfte verbunden (siehe Softwareanpassung).
Große Onlineberatungsträger wie die Caritas oder mbeon setzen auf Eigenentwicklungen häufig in Kooperation mit Software-Entwicklungsagenturen.
Viele weitere, vor allem kleinere Onlineberatungsanbietende nutzen Mietangebote des Softwaremarktes (siehe Mietmodelle). Integrierte Onlineberatungssoftware bieten beispielsweise Aygonet (https://www.aygonet.de) oder Assisto (früher Beranet) (www.assisto.online) an.
Darüber hinaus werden einzelne Module datengeschützter Kommunikation isoliert angeboten, wie beispielsweise Videoberatung über elvi (https://elvi.de/) oder Messenger über Threema (https://threema.ch/de). Die Freigaben von Datenschutzbeauftragten für sichere Software kann regional unterschiedlich ausfallen. So wird beispielsweise für Video auch BigBlueButton eingesetzt (https://bigbluebutton.org/) oder Jitsi (https://jitsi.org/) sowie auch der Messenger Signal (https://signal.org/de). Die Anbieter eint die freie Einsicht ihres Quellcodes durch Expert*innen und damit die Nachvollziehbarkeit der Datenverarbeitung.
Mietmodelle
Eine Lizensierung von Standard-Online-Beratungssoftware hängt häufig von der Zahl der Beratenden ab. Neben einer Basislizenz (rund 20-50 Euro monatlich) und Einrichtungskosten (rund 100-1500 Euro einmalig) fallen pro Beratenden monatliche Kosten an. Es gibt günstige Einzellizenzen zwischen 20 bis 30 Euro monatlich. Eine Monats-Lizenz für 10 Beratende kostet zwischen 60 und 250 Euro. Diese Lizenzkosten staffeln sich je nach Zahl der Beratenden und der gewählten Pakete für Beratungsformen. Genauere Kostenstrukturen finden Sie bei den oben benannten Anbietenden. Es handelt sich hier um die Kosten der Standardsoftware. Individualisierungen sind zusätzlich zu kalkulieren.
Im Mietmodell sind grundsätzlich Wartungs- und manchmal Supportkosten enthalten. Üblicherweise sind dies: Betrieb, Back-ups, Wartung und Updates. Bei den großen Anbietenden von Onlineberatungssoftware kann von Optimierungsvorgängen ganz außerhalb der eigenen, spezifischen Bedarfe ausgegangen werden, da sie eine hohe Zahl weiterer Kund*innen haben. Darüber hinaus kann man zusätzliche Serviceleistungen buchen, beispielsweise zur Kompatibilität und Anpassung an veränderte technische Entwicklungen.
Open Source Modelle
Seit Ende Juni 2020 stellt der Deutsche Caritasverband die Software seiner Online-Beratung auf der Entwicklerplattform Github frei zur Verfügung (1). Unter der AGPLv3-Lizenz können Nutzer*innen den Original-Quellcode erhalten, vervielfältigen, weiterentwickeln, Optimierungen programmieren und diese der Community erneut zur Verfügung stellen.
Dabei geht es vor allem darum, der Freien Wohlfahrtspflege, öffentlichen Verwaltungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Universitäten die eigens für die kostenlose Sozialberatung entwickelte Software zur freien Nutzung und Weiterentwicklung verfügbar zu machen. Das Ziel ist kollaborative Zusammenarbeit, um mit der Open Source-Community gemeinsam die Online-Beratungsplattform auf eine breite und vernetzte Basis zu stellen.
Die Nutzung einer Open-Source-Software ist verbunden mit der Unterhaltung eines eigenen Servers, eigenen Installations- und Wartungstätigkeiten sowie gegebenenfalls Anpassungsbedarfen.
Individuelle Softwareanpassung
Vor allem große Onlineberatungsanbietende setzen häufig auf eine individualisierte Softwarelösung. Die Auswahl einzelner Features wie Mailberatung, Chatmöglichkeiten, Messengerangebote, Sprach- oder Videooptionen muss zu den Beratenden, den Beratungsformen und auch zur Zielgruppe passen. Zudem gibt es spezifische Bedürfnisse wie spezielle Fragebögen, Sprachführung oder Statistikmodule, die eine Anpassung erfordern.
Einige, in internen Berichten dokumentierte, Softwareentwicklungen reichen von 200 TSD über 350 bis zu 500 TSD Euro Anpassungsbedarf. Die Kosten wurden jeweils im Rahmen von öffentlichen Fördergeldern bezuschusst.
Unabhängig von der Größe des geplanten Onlineberatungsangebotes ist immer eine bestimmte Anfangsinvestition für die Beschaffung einer Basis-Software nötig. Ein bedeutender weiterer Kostenpunkt ist die individuelle Anpassung sowie auch technische Supportleistungen, wie Installation, Updating und Troubleshooting, die das Verwenden eines Standardmoduls verteuern.
Im Falle einer Finanzierung von sehr umfangreichen Anpassungen sollte vorab geklärt werden, wo die exklusiven Verfügungsrechte liegen und ob die überarbeitete Software losgelöst von der Entwicklungsfirma weiter verwendet und gegebenenfalls mit anderen Softwarepartnern weiter entwickelt werden kann.
E-Beratungssoftware (EBS)
Das Institut für E-Beratung verwendet eine eigens entwickelte E-Beratungssoftware (EBS). Im Rahmen von exemplarischen Projektenwicklungen, beispielsweise zu Schlafberatung oder Gesundheitsberatung, entwickelte sich eine Software mit vielen Beratungswegen, wie Video, Chat, Foren und Mail und umfangreichen Features, wie Fragebögen, Klient*innen- und Terminverwaltung.
Auch in studentischen Zusammenhängen wird die EBS als Beratungsforum eingesetzt.
Im Laufe der letzten Jahre interessierten sich einige Onlineberatungsanbietende für die EBS. So wird die EBS nun auch von Externen wie sextra, profamilia, aidshilfe, bke oder der Stadt Nürnberg im Sozial-, Senioren- und Jugendamt eingesetzt.
Technische Anforderungen
- Technisch-organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit (Datenschutz und -sicherheit).
- Die beruflichen Pflichten zur Vertraulichkeit der Beratung, wie sie durch verschiedene Rechtsnormen geschützt wird (u. a. § 203 StGB), sind zu beachten. Onlineberatung muss deshalb auf datensicheren Wegen erfolgen und darf z. B. nicht über unverschlüsselte Kommunikationswege im Netz geleistet werden. Stattdessen sollte eine hierfür geeignete Onlineberatungssoftware genutzt werden.
- Seit der Novellierung des § 203 StGB im Jahr 2018 müssen Berufsgeheimnistragende technische Anbietende als „mitwirkende Dritte“ ausdrücklich auf die Verschwiegenheit hinweisen und sich diese verpflichten, um sich nicht selbst strafbar zu machen.
- Die Rechner der Fachkräfte, welche die Onlineberatung anbieten, müssen über aktuelle Virenschutzsoftware verfügen und durch ein Passwort gesichert werden. Außerdem müssen aktiv Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass der Rechner nicht auf andere Weise, etwa durch Trojaner, kompromittiert wird (Firewall, VPN-Schutz, Aktualisierung von Betriebssystem und Software etc.).
- Homeoffice-Lösungen sind so zu gestalten, dass die Vertraulichkeit gewahrt bleibt (z. B. geschlossener Raum) (2).
Grundsätzlich sind technische Anwendungen, deren Server sich außerhalb des Rechtsraums EU befinden und/oder keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bieten, nach der DSGVO nicht für die psychosoziale Beratung zulässig. Dies betrifft u. a. auch weit verbreitete Mailprogramme (z. B. Outlook etc.) und Messenger (z. B. Whats App).
Literaturtipps
Hörmann M., Aeberhardt D., Flammer P., Tschopp D., Wenzel J. (2019). Face-to-Face und mehr – neue Modelle für Mediennutzung in der Beratung
Kühne S., Hintenberger G. (2020). Onlineberatung und -therapie in Zeiten der Krise. Ein Überblick. e-beratungsjournal.net
Reindl, R., Engelhardt, E. (2020):Handlungsempfehlungen zur kurzfristigen Umsetzung von Onlineberatung in Zeiten der Coronakrise. (pdf 163 KB)
(1) Seit August 2018 wird die Plattformsoftware von der Agentur Virtual Identity entwickelt. Bisher wurde sie auf nutzerzentrierter Basis von Ratsuchenden und Beratenden der Caritas entwickelt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unterstützt das Angebot im Rahmen des Projektes „Zukunftssicherung der Wohlfahrtspflege durch Digitalisierung“. (https://www.caritas.de/fuerprofis/presse/pressemeldungen/caritas-online-beratung-geht-open-source-8c2af460-2000-4742-b16c-d484e0680471. Zugegriffen: 29.06.2020)
Derzeit sind mehr als 1.800 Beratungsstellen mit über 7.000 Beratenden, die in 22 Themenbereichen (u.a. Schwangerschaft, Sucht, Schulden) beraten, auf der Online-Beratungsplattform registriert. (https://diewohlfahrt.digital/caritas/. Zugegriffen: 26.02.2024)
(2) Weiterführende Infos des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Einen Computer sicher einrichten: https://www.bsi-fuer-buerger.de/BSIFB/DE/Empfehlungen/BasisschutzGeraet/EinrichtungComputer/Einrich-tungComputer_node.html
Sicherheit für Organisationen: https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/ITGrundschutz/itgrundschutz_node.html